Die Verfasste Studierendenschaft kritisiert das Gebaren des Studierendenwerks und legt der Geschäftsführerin Ulrike Leiblein den Rücktritt nahe.
Seitdem die Verfasste Studierendenschaft der Uni Heidelberg gegen die prekären Beschäftigungsverhältnisse mobilisiert, die sich die studentischen Aushilfen der Hochschul-Service-GmbH Heidelberg (HSH) – einer 100%igen Tochter des Studierendenwerks Heidelberg – bieten lassen müssen, ist einiges in Bewegung geraten. Infolge des zunehmenden medialen Drucks sowie der Unterstützung durch die Gewerkschaft Ver.di hat sich das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) eingeschaltet und eine Anhörung eingeleitet. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hat das MWK als Zwischenstand vermeldet, das sich die Geschäftsführung des Studierendenwerks „in Gesprächen mit den Betroffenen“ befinde, „um eine einvernehmliche Lösung zu vereinbaren“. Davon kann keine Rede sein.
Zuallererst ist und bleibt befremdlich, wie sich die Geschäftsführung des Studierendenwerks gegenüber den Aktivist*innen aus der Verfassten Studierendenschaft sowie der Gewerkschaft Ver.di geriert. Bevor verschiedene Medien die Missstände thematisierten und der öffentliche Druck immer stärker zunahm, blieben unsere Anfragen und Gesprächsgesuche gänzlich unbeantwortet. Erst als klar wurde, dass ein Aussitzen nichts bringen würde, ließ sich die Geschäftsführung auf eine Unterredung mit uns ein. Hierbei wurden nicht nur unverhohlene Drohungen ausgesprochen (etwa, dass die studentischen Aushilfen in der Küche und an der Spülmaschine durch nicht-studentische Angestellte ersetzt werden würden), sondern auch Zusagen getroffen, die später unter fadenscheinigen Begründungen nicht eingehalten wurden. Weder wurden die versprochenen Räumlichkeiten für ein Treffen sämtlicher studentischer Aushilfen zur Verfügung gestellt, noch eine entsprechende Einladung über die internen Kommunikationskanäle verbreitet. Die Studis bräuchten doch gar kein Treffen, da alles schon entschieden sei.
Die Behinderungsversuche des Studierendenwerks erreichten schließlich ihren Höhepunkt, als weder Vertreter*innen der Gewerkschaft Ver.di noch der Verfassten Studierendenschaft Mitglied der Arbeitsgruppe sein durften, die die angebliche „einvernehmliche Lösung“ erarbeiten sollte. Warum dieser explizite Ausschluss erfolgte, wird plausibel, wenn man den vorgeblichen Zweck dieser Arbeitsgruppe hinterfragt. Echte Verhandlungen fanden hier nicht statt und sollten vermutlich auch niemals stattfinden, zumal noch nicht einmal alle betroffenen Studierenden von allen Standorten eingeladen waren. Nach zwei Treffen, in denen es eher um eine grundsätzliche Aussprache als um die konkrete Erarbeitung eines Vertragswerkes ging, setzte die Geschäftsführung des Studierendenwerks den Studierenden mit einseitig erarbeiteten Verträgen die Pistole auf die Brust. Diese müssen die studentischen Aushilfen noch bis zum Ende dieses Monats unterschreiben, wenn sie ihren Job nicht verlieren wollen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die gesamte Arbeitsgruppe von Anfang an als reine Alibi-Aktion geplant war, um die interessierte Öffentlichkeit, die Studierenden und nicht zuletzt auch das MWK zu beschwichtigen und zu täuschen.
Zwar stellen die neuen Verträge zweifelsohne einen gewissen Fortschritt dar: So begrüßen wir die (längst überfällige) Eingliederung in das Studierendenwerk und die damit verbundene Bindung an den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Dadurch erhalten die studentischen Aushilfen erstmalig ein Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub. Dies ist vermutlich als Reaktion auf die Anhörung durch das MWK zu betrachten, entspricht zum Teil unseren Forderungen und ist insofern zu begrüßen. Nichtsdestotrotz weisen auch die überarbeiteten Verträge noch erhebliche Defizite auf. Die nun vorgelegten Verträge sind in vierfacher Hinsicht problematisch:
Erstens beinhaltet dieser einseitig diktierte Arbeitsvertrag (obwohl er sowieso nur eine befristete Beschäftigung von sechs Monaten vorsieht) eine sechsmonatige Probezeit. Die Sinnhaftigkeit dieser Auflage muss insofern angezweifelt werden, als die meisten Aushilfen dem Studierendenwerk doch aus ihrer HSH-Zeit bekannt sind und wohl kaum noch ihre fachliche Eignung beweisen müssen. Aus einem zynischen Motiv heraus ist dieser Passus aber überaus praktisch, erleichtert er es dem Studierendenwerk doch, unliebsame Beschäftigte zu entlassen bzw. zu ersetzen. Zumal die studentischen Aushilfen durch die hier gewählte, sachgrundlose Befristung maximal dreimal eine Verlängerung erhalten können, also insgesamt zwei Jahre beim Studierendenwerk derart beschäftigt sein können, ohne danach als Festangestellte übernommen oder überhaupt nicht mehr angestellt zu werden. Im Sinne der studentischen Aushilfen ist diese Art der Befristung auf gar keinen Fall. Dabei müsste die Geschäftsführung des Heidelberger Studierendenwerks doch eigentlich nur nach Mannheim blicken, um zu erkennen, dass sich ein Studierendenwerk sehr wohl für eine studifreundlichere Art der Befristung entscheiden kann, wenn es das nur möchte.
Zweitens: Die in den vorgelegten Arbeitsverträgen enthaltene Klausel „Die/Der Teilzeitbeschäftige ist im Rahmen begründeter dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet“ birgt für Studierende die Gefahr, gegen ihren Willen in einer der Außenstellen des Studierendenwerkes (u.a. Heilbronn, Mosbach, Schwäbisch Hall oder Künzelsau) arbeiten zu müssen. Eine derartige vom Arbeitgeber geforderte Flexibilität ist mit dem Studium außerdem nicht vereinbar und war für die HSH bisher auch nicht notwendig.
Drittens ist in den diktierten Verträgen das Feld leer, das die jeweilige Entgeltgruppe bestimmt. Die studentischen Aushilfen sollen quasi blanko unterschreiben und werden in die Entgeltgruppe 1 (studentische Aushilfen) oder 2 (Schichtleitung) kategorisiert. Vor dem Hintergrund kritisieren wir, dass selbst einige Festangestellte gegenwärtig nach der Entgeltstufe 1 bezahlt werden (und das mutmaßlich rechtswidrig). Da auch sie nicht nur „einfachste Arbeiten“ verrichten, kann dies eigentlich nur bedeuten, dass das Studierendenwerk weiterhin auf dem Rücken der (studentischen) Beschäftigten Lohnkosten sparen möchte. Indem die Geschäftsführung die Vertreter*innen von VS & Ver.di von vornherein aus der Arbeitsgruppe ausschließt, stellt sie sicher, dass dies in den Vertragsverhandlungen gar nicht erst zur Sprache kommt. Heimlich, still und leise werden die Arbeitenden in die billigstmögliche Kategorie gesteckt, anstatt ihnen das zu zahlen, was ihnen eigentlich zusteht – abermals anders als beim Studierendenwerk Mannheim, bei denen die Entgeltgruppe 2 (TV-L) für einfache Aushilfen respektive die Entgeltgruppe 3 für die Schichtleitung schon in den auszufüllenden Verträgen vorgedruckt ist.
Viertens: Das Studierendenwerk gibt keine Garantie, dass alle studentischen Aushilfen aus der HSH übernommen werden. Außerdem wird die HSH nicht aufgelöst, sondern existiert weiterhin. Die Gefahr einer Rücktransferierung ist also nicht nur möglich, sondern real. Es liegt der Verdacht nahe, dass das Rad der Zeit wieder zurückgedreht wird – so wie schon 2007/08, als sich zum letzten Mal Studis gegen ihre Ausbeutung durch die Tochtergesellschaft des Studierendenwerks wehrten.
All diese Tricks und Täuschungsversuche beweisen einmal mehr: Um eine „einvernehmliche Lösung“ ist es der Geschäftsführung des Studierendenwerks niemals gegangen. Das Wohl und die Interessen der Studierenden sind ihr völlig egal. Als Geschäftsführerin einer Einrichtung, die aber just zu diesem Zweck gegründet wurde und der eben dieser gemeinnützige Auftrag obliegt, hat Ulrike Leiblein versagt. Sie hält sich an keine Absprachen, behindert die Arbeit von VS und Ver.di, setzt ihre studentischen Beschäftigten mit allen verfügbaren Mitteln unter Druck und sät Streit und Zwietracht innerhalb der Belegschaft. Ihr Handeln hat nicht nur das MWK auf den Plan gerufen, das sein Missfallen mit dem Satz „Das Wissenschaftsministerium begrüßt es, dass die anderen Studierendenwerke in Baden-Württemberg von dieser Form von Tagesarbeitsverträgen keinen Gebrauch machen“ schon in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat. Es beschäftigt nun auch noch das Bundesjustizministerium, weil sie es als Geschäftsführerin der HSH versäumt hat, den Jahresabschlussbericht von 2016 fristgerecht im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.
Wir legen deshalb Ulrike Leiblein den Rücktritt nahe und fordern das MWK respektive den Verwaltungsrat des Studierendenwerks dazu auf, dieses unwürdige Schauspiel zu beenden.
Die Verfasste Studierendenschaft der Uni Heidelberg