Stellungnahme der Verfassten Studierendenschaft zur aktuellen Personalpolitik des Studierendenwerks Heidelberg
Am 13. März haben wir – als Verfasste Studierendenschaft (VS) der Universität Heidelberg – uns zuletzt zu den Missständen beim Studierendenwerk Heidelberg geäußert. Zuvor hatten es das VS-Sozialreferat und der AK Studentische Aushilfen geschafft, dass Medien, Politiker*innen sowie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) auf die Situation der studentischen Beschäftigten aufmerksam wurden und sich für die miserablen Arbeitsbedingungen zu interessieren begannen. Diesem öffentlichen Druck war es zu verdanken, dass den Tagesverträgen und der Leiharbeit ein (vorläufiges) Ende gesetzt wurde und die studentischen Beschäftigten längerfristig und direkt beim Studierendenwerk angestellt wurden – allerdings zu Konditionen, die uns schon damals nicht als fair erschienen, sondern Anlass zu großer Sorge gaben.
Wir hatten in unserer Stellungnahme ausdrücklich davor gewarnt, dass die Geschäftsführung keinerlei Bereitschaft zu einem echten Kurswechsel zeigt. Dass nicht alle Studierenden übernommen werden, sondern man besonders aufmüpfige Beschäftigte vor die Tür setzen wird. Dass Zwangsversetzungen angeordnet werden können, um die Studierenden auf Linie zu bringen. Dass die sechsmonatige Probezeit nur dazu dient, um unliebsame Beschäftigte möglichst einfach loszuwerden, sobald der öffentliche Druck erst einmal nachlässt. Dass falsche Eingruppierungen vorgenommen werden und studentischen Beschäftigten weniger gezahlt wird, als ihnen eigentlich zusteht. Und vor allem: Dass das Wohl und die Interessen der Studierenden – also die einzige Arbeitsgrundlage eines jeden Studierendenwerks – der Geschäftsführung um Ulrike Leiblein völlig egal sind.
Leider haben wir in nahezu allen Punkten völlig recht behalten. Der offene Brief, mit dem sich einige studentische Beschäftigte des Studierendenwerks an Ministerin Theresia Bauer wenden, offenbart das gesamte Ausmaß der Misere. Mag die Tagelöhnerei auch (fürs Erste) abgeschafft worden sein – an der Kultur der Angst, des Misstrauens und der Geringschätzung hat sich nichts geändert. Vielmehr scheinen die studentischen Beschäftigten nun sogar dafür bestraft zu werden, dass sie es gewagt hatten, sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren.
Für uns steht deshalb außer Frage: Es muss möglichst schnell gehandelt werden, und das entschiedener und nachhaltiger als beim letzten Mal. Wer damals noch auf die Einsichtigkeit und den guten Willen der Geschäftsführung vertraut hatte, sollte es spätestens jetzt besser wissen. Die studentischen Beschäftigten dürfen nicht noch einmal im Stich gelassen werden.
Oberstes Ziel aller Bemühungen muss es sein, die Entlassung von rund 40 studentischen Beschäftigten zu verhindern, die derzeit noch im Café Botanik oder im Marstall arbeiten und auf diese Weise ihr Studium finanzieren. Es ist sicherlich kein Zufall, dass mit dieser Kündigungswelle auch die letzten Beschäftigten, die sich offen für die studentischen Belange eingesetzt haben, ihren Job verlieren würden. An ihnen soll ein Exempel statuiert werden, und dies darf auf gar keinen Fall zugelassen werden.
Die Einbehaltung bzw. Kürzung studentischer Löhne muss ebenfalls ein Ende finden, genauso wie die gezielte Unterbesetzung von Schichten. Auch ist es höchste Zeit, alle vertraglichen Zumutungen zu beseitigen und die Arbeitsbedingungen der studentischen Angestellten nachhaltig zu verbessern – insbesondere durch die Streichung der Versetzungsklausel, die Modifizierung der Probezeit und die korrekte Eingruppierung aller Beschäftigten.
Vor diesem Hintergrund fordern wir Ministerin Theresia Bauer dazu auf, der Aufsichtspflicht des MWKs nachzukommen, den Hilferuf der studentischen Beschäftigten nicht ungehört zu lassen und sich mit Nachdruck für deren Belange einzusetzen. Auch Rektor Bernhard Eitel sehen wir in der Verantwortung. Die in der Vergangenheit vorgebrachte Ausrede, man habe nicht direkt mit dem operativen Geschäft zu tun und könne daher nicht viel ausrichten, gilt für beide nicht: Sowohl das Ministerium (in Form von Ministerialreferent Andreas Barz) als auch die Universität (in Form des Rektors) stellen ein Mitglied des Verwaltungsrats, zu dessen expliziten Aufgaben die „Überwachung, Beratung, Bestellung und Entlastung der Geschäftsführerin“ zählen. Dieses Gremium hat überdies mit dem jährlichen Bericht Corporate Governance das „öffentliche Vertrauen“ in das Studierendenwerk zu stärken und zu prüfen, ob „international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ eingehalten wurden – was Rektor Eitel sogar mit seiner persönlichen Unterschrift bestätigen muss, ist er doch der Vorsitzende des Verwaltungsrats. Es ist also nicht nur ihre moralische, sondern auch ihre rechtliche Pflicht, endlich aktiv zu werden und einzuschreiten.
Alle Politiker*innen, Abgeordneten und Fraktionen – insbesondere des Landtags, gerne aber auch des Bundestags sowie des Heidelberger Gemeinderats – bitten wir, sich mit den studentischen Beschäftigten zu solidarisieren und deren Arbeitsbedingungen sowie die geplanten Entlassungen öffentlichkeitswirksam zu verurteilen. Jede Stellungnahme hilft. Ebenfalls kann es der Sache der Beschäftigten nur dienlich sein, Anfragen an das MWK zu stellen und Rechenschaft einzufordern, soweit es die jeweiligen Befugnisse eben erlauben. Es braucht nicht nur Druck auf die Studierendenwerksleitung, sondern auch auf deren Überwachungs- und Kontrollorgane, damit die Kündigungswelle doch noch rechtzeitig gestoppt werden kann.
Den Personalrat des Studierendenwerks fordern wir eindringlichst dazu auf, endlich seinen Aufgaben nachzukommen und sich auch einmal für die studentischen Angestellten einzusetzen. Bislang scheint er sich nur für die Interessen der nicht-studentischen Angestellten verantwortlich zu fühlen und die Geschäftsführung sogar noch aktiv dabei zu unterstützen, die Studierenden auszubeuten und zu drangsalieren. Auch dies kann und darf nicht so weitergehen, ist der Personalrat doch – moralisch wie rechtlich – die Vertretung aller Beschäftigten.
Zuletzt fordern wir Tanja Modrow, die designierte neue Geschäftsführerin des Studierendenwerks, dazu auf, dem Treiben ihrer Vorgängerin Einhalt zu gebieten und sich von deren Personalpolitik zu distanzieren. Dass mit Ulrike Leiblein in dieser Angelegenheit nicht mehr zu reden ist, ist uns (und hoffentlich auch allen anderen Akteur*innen) mittlerweile klar; dass noch ganz andere leitende Angestellte ihren Kurs mittragen, leider ebenfalls. Wir haben durchaus Verständnis dafür, dass es nicht einfach ist, sich gegen die Vorgängerin zu stellen und sich dadurch schon vor dem eigentlichen Amtsantritt am 01.10. unbeliebt zu machen. Nichtsdestotrotz ist es exakt das, was die Lage zwingend gebietet, in moralischer wie in rechtlicher Hinsicht.
Das Studierendenwerk Heidelberg ist nicht dazu da, um perfide Ausbeutungsstrategien zu praktizieren oder einen persönlichen Rachefeldzug gegen Studierende zu führen, die für ihr Recht kämpfen. Das Studierendenwerk Heidelberg ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die für die „sozial[e] Betreuung und Förderung der Studierenden“ zu sorgen hat, wie es im Studierendenwerksgesetz heißt. Studierende zu beschäftigten, um ihnen auf diese Weise und unter fairen Arbeitsbedingungen die Studienfinanzierung zu ermöglichen, fällt definitiv darunter. Die studentischen Beschäftigten einzuschüchtern, auszubeuten und bei Gegenwehr einfach zu entlassen, fällt dagegegen definitiv nicht darunter. Dieses Verhalten ist vom rechtlichen Auftrag eines Studierendenwerks denkbar weit entfernt und auch moralisch unhaltbar.
All dies ist Ulrike Leiblein völlig egal. Es bleibt zu hoffen, dass ihre Nachfolgerin dies anders sieht und sich im Studierendenwerk ein echter Kurswechsel anbahnt. Bis dahin ist es die Aufgabe aller anderen Akteur*innen, dafür Sorge zu tragen, dass es für die studentischen Beschäftigten dann nicht schon zu spät sein wird – und das möglichst schnell, möglicht resolut und möglicht wirkungsvoll.
In Solidarität mit den studentischen Beschäftigten des Studierendenwerks
Die Verfasste Studierendenschaft der Universität Heidelberg